http://www.dasgedichtblog.de/bewegte-bilder-in-cadiz/2013/07/17/

 

Atlantis heute

 

Überflutet

von Salzwasser, Öl und schwarzen Regenfällen

verschüttet

unter der Last versunkener Schiffe

unter tausend Dingen

liegt es

jenseits der Gedankenoberfläche

hinter den Fischschwärmen

die seine Existenz verhüllen

Wir in Taucherausrüstung

und mit Augenblende

verstehen die einfachsten Worte nicht

Wir wissen nicht, dass atlantis

kein Kontinent

sondern ein Zustand ist

 

 

 

Morgen habe ich keine Zeit für dich

 

 

Auf dem Computerbildschirm

erscheint der blaue Himmel

Eine Störung, ein Virus, glaube ich

Nichts funktioniert mehr

kein Login ist mehr möglich

und keine Mailbox mehr zugänglich

 

Gras wächst zu schnell

Das Mähen lohnt sich nicht

Und nur der Himmel ist da

So nah dem blauen Loch

wurde mir gekündigt

auf allen Ebenen und morgen

habe ich keine Zeit für dich

 

Vielleicht erst übermorgen

gehen wir zusammen durchs Gras

und mähen nicht

und mailen nicht

so nah dem blauen Loch

 

(in: Axel Kutsch (Hg.): Versnetze_fünf)

 

 

 

Haiku

 

Von der Klippe aus

siehst du den blauen Schimmer

auf Schwalbenrücken

 

(in: R. Stolz, U. Wenzel (Hgs.): Haiku hier und heute)

 

 

Die Berge hören

Colca-Tal, Peru

 

Endlich hat in der Nacht

das Kind zu weinen aufgehört

und unbekannte Sterne

treten auf

 

Hinter dem Rauchspiegel

erscheint eine Landschaft

wie sie nur ein Bewusstsein kennt

das schweigt

 

Bleibt still

Gedanken

damit Berge und Sterne

hörbar sind

 

(Wende und Winkel)

 

 

Nachtschwärmer

Zu einem Gemälde von Edward Hopper

 

Was ist das Licht in der Nacht, meine Freundin,

dieses verkehrte Licht?

Der Raum trägt deine blasse Haut

grüne Schatten gleiten am Fenster vorbei

lautloser Wind verfängt sich im blauen Schein

an der Straßenecke, wenn der Schlaf

samtschwarz die Augen beschützt

 

Du aber trägst ein rotes Kleid

bewohnst die Abseite des Bildes, in dem

du täglich anwesend sein musst, genießt

die köstliche Bitterkeit der Worte, die am Tag

stecken geblieben sind in deinem Hals

schenkst deinen Blick keinem Menschen

nur dem Schimmer von Brandy in deinem Glas

und lässt dich trösten von einem oder von zweien

die du nicht liebst

 

(Wende und Winkel)

 

 

 

Das Aachener Oktogon

 

Täglich ging ich daran vorbei

mit unausgeschlafenen Augen

mit Blick auf das Pflaster

träumte ich mich weit weg an jene Orte

wo aus den Steinen etwas spricht

Stonehenge, Machu Picchu, Karnak

 

Urlaubsgedanken, Fluchtgedanken

Hindernis, den Steinkalender

in meiner Nähe zu sehen

der die Zeit beherbergt wie Maya-Tempel

die Himmelsrichtungen kennt wie der Turm der Winde

der die Proportionen feiert wie die Pyramiden

der Sonne und Mond zu Gast hat

und ihre Bahnen bannt

in seinen vollendeten Maßen

 

(Wende und Winkel)