Pressestimmen - Rezensionen

"Nicht nur bildend-künstlerisch, sondern auch in ihren Versen geht sie mit großer Sicherheit vor. Sie beherrscht meisterlich die Skizze, zeichnet – bildlich gesprochen – mit wenigen Strichen Landschaft, Person, Stimmung. Wer das liest, ist sofort mitten im Gedichtinhalt (...) Das sind welt- und lebenshaltige Miniaturen, zugängliche, atmosphärisch differenzierte und differenzierende Kunstwerke, mit denen die Autorin sich erkennbar macht." Bernd Leukert in Faustkultur

Ganze Rezension: Von Mumien und Göttern

Zu Licht in der Manteltasche, chiliverlag Verl, 2020:

von Hellmuth Opitz

 

Um Licht geht es auch im Titel des aktuellen Gedichtbandes von Klára Hůrková: »Licht in der Manteltasche« heißt er und ist eigentlich schon im letzten Jahr erschienen, ich habe ihn aber erst in diesem Jahr entdeckt und gelesen. Knapp vier Dutzend Gedichte, übersichtlich auf 76 Seiten verteilt, in einem handlichen Format und sehr schön farbenfroh gestaltet. Ein wahres Schmuckstück. (...) Das erste Kapitel umfasst Gedichte, die an unterschiedlichsten Welt-Schauplätzen spielen und sind unter der in Zeiten von Corona besonders relevanten Kapitel-Überschrift »Als wir noch reisten« zusammengefasst. Reisegedichte unterliegen ja oft der Gefahr, nichts weiter als lyrische Postkarten zu sein. Klára Hurková umgeht diese Gefahr, in dem sie ihre Gedichte nicht mit genretypischen Sehenswürdigkeiten ausstattet, sondern Momente einfängt und ihre Eindrücke in Sprachbilder fasst, die diesen Moment blitzartig erhellen und einmalig machen. Besonders eindrücklich sind hier die New-York-Gedichte. Das »Guggenheim« betitelte Gedicht widmet sich der spiralförmigen Architektur des Museums: »Komm in mein Inneres / Entdecke das / Schneckenhaus / ohne Ende« heißt es dort, und das lyrische Ich fragt sich, weshalb diese innere Unruhe bei Betrachtung der Kunstwerke entsteht. Schließlich festigt sich eine Vermutung: »Vielleicht weil tagsüber / hier einer auf der weißen Bank / sitzt und Gedichte schreibt / ohne Ende.« Eine faszinierende Parallele.

Auch harten Realitäten gewinnt Klára Hůrková poetische Momente ab, wie etwa in dem Gedicht »Die Prostituierten«. Mein Lieblingsgedicht in diesem Band ist aber eines, wo sich das Thema, der Gegenstand, die aktuelle Begebenheit weigert, zum Motiv eines Gedichtes zu werden. Es geht um das Attentat seinerzeit auf den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheid-Platz. Im Gedicht »Ein misslungenes Gespräch« heißt es: »Heute Nacht regnete es / im geschockten Land […] ich versuchte / es einem Gedicht zu erzählen / aber es hörte mir nicht zu“. Für Leser lohnt es sich aber allemal, den Gedichten von Klára Hurková zuzuhören.

Hellmuth Opitz in: Unter dem Radar - fünf kaum besprochene neue Lyrikbände, die ich 2021 gerne gelesen habe.

 

 

Rembrandt-Licht und andere Bildausleuchtungen
Zu Klára Hůrkovás Lyrikband Licht in der Manteltasche

von Monika Littau

 

Gleich zweimal gehen Gedichte in Klára Hůrkovás neuem Lyrikband auf Bilder vergangener Meister und Jahrhunderte ein. Zum einen handelt es sich um einen Textmit dem Titel „Melancholie, nach Dürer“. Darin beschreibt die Autorin eine Situation,
in der sich Schülerinnen und Schüler mit den Elementen des Bildes „Melencholia I“ befassen, zunächst noch müde und ein bisschen widerwillig, dann aber beginnen „die Dinge zu leben“. „Plötzlich erstrahlen die Gesichter/ vor Lust/ nach Bedeutungen zu suchen/ in der neu entdeckten Freiheit“ (S. 38-39).
Das zweite Gedicht beschäftigt sich mit Rembrandts Bild „Jakobs Kampf mit dem Engel“ (um 1659/60). Der Kampf wird im Poem zur engelsgleichen Berührung, der Text zu einem Liebesgedicht: „Die Hüfte biegt sich/ohne zu brechen“ (S. 67).
Die beiden Gedichte offenbaren viel über die hier vorgestellte Lyrikerin:
Klára Hůrková arbeitet u. a. als Lehrerin, sie unterrichtet nicht nur Kunst (neben anderen Fächern), sondern ist selbst als Malerin tätig. - Auch das Cover des Buches und die Vorsatzseiten der jeweiligen Kapitel bestehen aus Farbdrucken ihrer Bilder.-
Das Thema Licht scheint für sie besondere Bedeutung zu haben, denn die Autorin veröffentlicht im neuen Gedichtband Texte, in denen es leitmotivisch immer wieder genau darum geht.
Klára Hůrková, die aus der damaligen Tschechoslowakei stammt und bereits vor der Wende das Land verließ, studierte in Prag zunächst Philosophie und in Aachen und Norwich Anglistik und Kunstgeschichte und schloss in Deutschland mit einer Promotion ab.2 Schon im ersten Gedicht des ersten Kapitels beschreibt sie, dass bei ihrer Ausreise in den Westen erst die „Neonlichter/an der belgischen Autobahn“ den Neuanfang sichtbar machten. An anderer Stelle heißt es, das Licht „deckt…den Frühstückshimmel“ (S. 30) und die „Lichtflügel“ eines Leuchtturms sorgen für Schlaflosigkeit. Im Gedicht „Herbst-Intermezzo“ wünscht sich das Lyrische Ich, Die „Melencholia I“ ist ein Stich des Malers aus dem Jahr 1514, der u.a. einen sinnenden Engel sowie viele Symbole des Lebens und der Welt zeigt. Bezeichnenderweise beschäftigte sie sich in ihrer Promotion mit „Mirror Images“ in den Theaterstücken von Václav Havel und Tom Stoppard. „Wenn ich könnte, wäre ich/ nur dieses warme Licht in den Alleen“ (S. 59). Und der fast volle Mond ist ihm an anderer Stelle Ansporn und Ermutigung: „So sollst du sein, rücksichtslos/in die Fenster scheinen/ voll und prall, nur du, denn/du bist das Licht, glaube daran/und diene nicht, steig hoch!“(S. 66).
Hier ist eine Lichtsammlerin unterwegs. So heißt es bereits im Prolog und dem titelgebenden Text: „Der Abendstern, eine Verlockung aus Licht/und Ferne, doch ich bleibe treu/dem Ufer, sammle Lichter/von der Wasserfläche/trage sie in meinen Manteltaschen“ (S. 9).
Und was hat das nun mit dem im Titel der Besprechung behaupteten Rembrandt Licht zu tun? Mit dem Begriff bezeichnet man die Ausleuchtung einer Szene durch eine Lichtquelle, die schräg über das „Objekt“ gesetzt wird. Es geht um ein Profil, das - wie in Rembrandts Bildern - die eine Seite strahlend hell zeigt, die andere jedoch in Schatten versenkt, allein ein kleines Dreieck bleibt in der Dunkelheit erleuchtet, weshalb man diese Lichtsetzung auch als Dreieckslicht bezeichnet.
Mit Rembrandt-Licht meine ich also die Thematisierung von Licht und Schatten und die Suche nach dem Licht auch in der Dunkelheit, beides spielt immer wieder eine Rolle in der vorliegenden Gedichtsammlung.
Ein zweites Motiv, das sich durch den kleinen Band zieht, ist die Bedeutung der Sprache und die besondere Bedeutung des Schreibens für die Lyrikerin.
Zwar kann sich das Lyrische Ich „vor dem Schreiben am Papier“ schneiden (S. 32), zwar kann es sein, dass sich das Gedicht angesichts der Realität zusammenrollt, „einem Igel gleich“ (S. 40), aber trotzdem beugt sich das Lyrische Ich, bzw. Du sich „über den Tisch/als ob er ein Seerosenteich wäre“ (S.41) und fragt sich an anderer Stelle, wie viele Gedichte es dem Alltag entreißen und damit vielleicht die Welt besser verstehen könne (S. 63).
Eingeteilt ist der Gedichtband in vier große Kapitel. Zunächst geht es ums Reisen. Das Reisen scheint vor dem Hintergrund fehlender Reisefreiheit in den frühen Jahren der Autorin und vielleicht auch der gegenwärtig coronabedingten Reiseeinschränkungen eine ganz besondere Bedeutung zu haben: Belgien, Nord- und Südamerika, Schweden und auch die Tschechei sind Orte des Entdeckens und Wiederentdeckens, der Selbst- und Sinnerfahrung. Dabei fällt mir der im Vergleich zum vorangegangenen Lyrikband leichte, manchmal ironische Ton der Autorin positiv
auf. Bei einem ersten Treffen mit Halbschwestern, von deren Existenz es offenbar sehr spät erfährt, erhält das Lyrische Ich ein erbsengrünes T-Shirt „Mendel´s Hereditary Soup“ geschenkt, das aus einem Museum für Genetik in Brünn stammt (S.13). Das Bild in einer Kirche in Cusco zeigt „Das letzte Abendmahl“, bei dem Meerschweinchen garniert mit Mais und Früchten aus der Gegend von Urubamba verzehrt werden, zeigt auch „Die große Pachamama/ – Mutter Erde -/“, die vergnügt hinter dem Rücken von Jesus lacht (S.21).
Im II. Kapitel stellt die Autorin Stadtgedichte unter dem Titel „Zwischen den Häuserzeilen“ zusammen, gefolgt vom III. Kapitel, das im Gegensatz dazu „Launen der Inseln“ beschreibt: den „unruhige(n) Schein/ des Leuchtturms“ (S. 45), der zu Schlaflosigkeit führt (S. 47), so dass die Seele morgens „in Wellen gefaltet liegt“ (S.47). Schließlich finden sich im abschließenden IV. Kapitel u. a. Jahreszeitentexte. Formal sind die Texte frei in der Rhythmik und unabhängig von einem regelmäßigen
Aufbau. Sie zeigen aber in ihren Bildern Formwillen und Verbundenheit. Deshalb empfinde ich es als ein Zuviel, dass die Bilder von Klára Hůrková, die zuweilen in einer Explosion das Thema Licht variieren, auf jeder Seite des Bandes als Schwarz-Weiß-Hintergrund dienen. Dass schafft Unruhe. In dem sonst schön gestalteten Hardcover, konkurrieren dadurch unnötiger Weise Sprachbild und Bild. Ein Motiv, das ich bisher noch nicht angesprochen habe, ist in den Gedichten das Leben von Frauen und die Ermutigung für Frauen, zuweilen auch eine Anklage wenn am Beispiel der Hypatia (S. 64) der Mord an einer Wissenschaftlerin thematisiert
wird.
Am Ende des Bandes, im Epilog „Traum II“ heißt es:
Ich bin in einem Zirkus aufgetreten
Mit drei jungen Löwinnen
Sie schlichen frei
an mir vorbei
Etwas war entfesselt
Mein eigener Mut
Kaum auszuhalten
Welch ein Ausblick! Und so wünsche ich der Lichtsammlerin Klára Hůrková, dass der Mut dieses Traums als gute Utopie in die Realität finden und ihr Schreiben und Veröffentlichen beflügeln wird und freue mich schon jetzt auf ihre nächste Gedichtsammlung und die darin enthaltenen Ermutigungen!

 

Monika Littau

erschienen bei fixpoetry

 

Zu Wende und Winkel:

 

Gedichte von großer Einprägsamkeit und Tiefenschärfe finden sich in dem Kapitel Blickkontakte, es sind Bilder aus Wörtern zu Gemälden und Farben von Edward Hopper, René Magritte, Joan Miró und Caspar David Friedrich. (...) Im Zyklus Gleiten führt sie die Leser auf eine lange Reise um die Welt. Sie verdichtet ihre Wahrnehmungen von fernen Orten mit poetischer Sensibilität und entdeckt durch die Kenntnis der großen alten Kultstätten der Menschheit plötzlich die wahre Sprache des Aachener Oktogons.

(Regine Mönkemeier in: Der Dreischneuß 24, 2012)

 

Zur Bilderausstellung und Lesung in Umkirch bei Freiburg im Rahmen der Tschechischen Kulturtage:

 

http://www.badische-zeitung.de/umkirch/steine-sind-woerter-der-erde--59185540.html

 

Zu Stillstand der Gräser:

 

In "Stillstand der Gräser" beeindruckt die Lyrikerin einmal mehr mit genauer Beobachtung und überraschend leicht klingenden Bildern, die sich tief einprägen. Klára Hurková gewinnt dem Alltag ebenso wie der Natur poetische Momente ab, die nachhaltig wirken. (...) Es ist eine unverkrampfte Metaphorik, die sich in diesen Gedichten entfaltet, und sie wirkt vielleicht deshalb so eindrucksvoll, weil poetologische Reflexionen in ihnen lediglich implizit anwesend sind. Überhaupt nimmt sich die innere Stimme dieser Gedichte zurück und erweist sich immer wieder als dezente und doch äußerst empathische Chronistin menschlicher Begegnungen und Beziehungen: "Komm, lass uns aufhören / Der Wind weht vom Meer / zwingt Wolken zum Flug / entschleiert den Himmel". Dass ein so alltäglicher Satz wie der Eingangsvers dieser Strophe (...) zum hochpoetischen und damit sehr nachhaltigen Bild werden kann, macht den außerordentlichen Reiz ihrer Gedichte aus.

(Christoph Leisten in: Zeichen&Wunder 20/53, 2009)

 

Zu Abziehbilder in der Luft:

Wenn Klára Hurková durch Türen geht, schaut sie (...) auf das, was Hinter dem Schweigen verborgen ist, auf die Wirklichkeit und die Erinnerung, sie erkundet behutsam Innenräume und fordert den Leser durch widersprüchliche Bilder der Gegenwart:/ Kastanien blühen weiß im schwarzen Winter/. Eindrucksvolle poetische Reflexionen finden sich in den Prager Spiegelungen: // Der Stadtplan damals / sah anders aus/ - ein Labyrinth / aus Wünschen und Verboten /mit einem roten Faden /dem ich nicht folgen wollte//. (...) Die Leser werden in diesen Gedichten die eigenständige und stimmige Sprach- und Bildwelt Klára Hurkovás entdecken. Die Illustrationen des Buches (Bleistift- und Tuschezeichnungen) sowie die Abbildung eines Ölbilds für das Cover stammen ebenfalls von der vielseitigen Schriftstellerin.

(Regine Mönkemeier in: Der Dreischneuß 21, 2009)

 

Zu Ausflüge und Aufenthalte:

In "Ausflüge und Aufenthalte" begleiten wir Klára Hurková auf eine Reise, die sich Zeit nimmt für einzelne Orte und Augenblicke, für unerwartete Abstecher und Details am Wegesrand. Es geht ihr nicht darum, ein bestimmtes Ziel zu erreichen oder möglichst schnell Entfernungen zu überwinden. Im Mittelpunkt steht auch nicht die Bewegung selbst, eher die Verschmelzung von Raum und Zeit in klaren, beinahe durchsichtigen Wahrnehmungen eines Augenblicks (...). Die Gedichte in "Ausflüge und Aufenthalte" spiegeln keinen temporeichen Zeitgeist oder Versatzstücke einer zerfallenden Wirklichkeit. Sie wagen es, nach dem Sinn zu suchen, der in den Dingen selbst liegt, und stoßen dabei nicht selten auf die Magie, die ihnen innewohnt - und diese in ein anderes Licht taucht: "Einschlafen // (...) Hinter dem Lichtstreifen unter der Zimmertür / findet man vielleicht den Zugang / zu den feinsten Drähten / deren Verbindung plötzlich / helle Beleuchtung schafft."

(Sybil Volks in: Der Dreischneuß 16, 2004)

 

Zu Vor der Sonnenwende:

Dass diese Lyrik gelingt, verdankt sich nicht zuletzt der unzweifelhaften Mehrsprachigkeit der Autorin. Ihrem wachen, unverbrauchten Blick auf Sprache und Natur entspringen Bilder, die im Leser nachwirken. (...) Ihre eigentliche Leistung besteht indes darin, dass diese Dichtung dem einfachsten Material - auch scheinbar verbrauchten Metaphern - neue Dimensionen abgewinnt, indem sie dem Wortinneren nachspürt: "Das übergroße Dach / des Himmels/ verbirgt die Sterne" und "Die Knospen es Kastanienbaums 7 halten den Atem an", wenn Klára Hurková mit traumwandlerischer Sicherheit kleinste Begebenheiten im Spiegel vorfindlicher Wendungen verdichtet.

(Christoph Leisten in: Der Dreischneuß 14, 2003)

 

Zu Schlüsselsammlung / Sbírka klíčů:

Auf jeweils gegenüberliegenden Seiten stehen die deutsche und die tschechische Version von Gedichten und kurzen Prosatexten, die sechszehn Autorinnen und Autoren zur Verfügung gestellt haben. Die Beiträge bemühen sich nicht um die Beschwörung der deutsch-tschechischen Geschichte im böhmisch-mährischen Raum. Der Reiz der Texte liegt vielmehr in den kreativen Sprachbildern, mit denen subjektive Empfindungen gestaltet werden. Dennoch wird immer wieder die Berührung mit der Vergangenheit thematisiert, so im Gedicht "Prag durch Regen zerstört - Praha zničená deštěm" von Vít Janota (...). Oftmals verdeutlicht sich in der Lust an der verklausulierten Sprachformung eine Gemeinsamkeit tschechischer und deutscher Gegenwartsliteratur. (...) Typisch mag für die vertretenen Autoren auch die Bevorzugung des thematisch Geheimnisvollen sein. (...) Dem sorgsam zusammengestellten Bändchen ist zu wünschen, dass es das Bewusstsein der Leser für die Notwendigkeit permanenter Brücken zwischen deutscher und tschechischer Kultur weckt.

(Erich Pawlu in: Korrespondenzen, 30.7.2007)